Nachdem ich mich letzte Woche einmal kurz für Raabs neue Politik-Talkshow eingesetzt habe, erwartet man (lies: ich) jetzt natürlich, dass ich mich jetzt auch dazu äußere, wie ich die Show fand. Nun… also… leider nicht sonderlich gelungen.
Raab wirkte am Anfang sonderbar nervös, und verhaspelte sich ein bisschen, kam aber dann ziemlich schnell in seinen erprobten provokanten Rede- und Fragestil hinein. Das muss für eine Talkshow gar nicht so schlecht sein. Vor allem packt er Politiker damit theoretisch auf eine Art und Weise an, wie sie es nicht zwingend gewohnt sind. In dieser Sendung gelingt es ihm selten und das liegt gar nicht so sehr an ihm, sondern am Aufbau des Ganzen. Der hätte nicht überraschen dürfen, ist er doch Raabshow-typisch verbunden mit Balkendiagrammen und Autogewinnen.
Die Show dauerte – für eine politische Talkshow – mit 90 Minuten ungewohnt lang. Aber wir sind hier ja bei Pro7, da geht etwa eine halbe Stunde Werbung von der Sendezeit runter. Sie wurde in drei Themengebiete unterteilt, Energie, Steuern und ein angeflanschtes Internet-Thema – es war ja Social-media-Woche bei Pro7. Prinzipiell gar nicht so falsch, so passiert nicht das, was in den etablierten Shows passiert, die Politiker enden irgendwann in Diskussionen über kaum nachvollziehbare Details und die Sendung verliert an Fahrt und der Inhalt verformt sich zu einem matschigen Blob. Raab war also laut Konzept auch selber gezwungen, die Diskussion streng zu steuern und sollten die Politiker das Konzept des Stimmengewinns über die Show ernst nehmen, müssten sie ebenfalls versuchen, so zu sprechen und so zu argumentieren, dass es nachvollziehbar ist. Herr van Aken von den Linken hatte das augenscheinlich für sich so interpretiert, dass er statt zu seinen Mitdiskutant zugewandt zu sprechen, immer in Richtung des Studiopublikums zu parlieren. Eine richtige Diskussionsatmosphäre wollte aber eh leider nicht recht aufkommen. Zwar fing Raab die Gäste immer mal wieder mit provokanten Fragen ein, wenn es zu wahlkämpferisch wurde, aber dennoch blieb am Ende das Gefühl, nichts wirklich weltbewegendes gehört zu haben. Zumindest hat mich keine der vertretenen Meinungen irgendwie überzeugt. Es war allerdings nicht so schlimm, wie bei Will, Jauch, Illner usw. wo ich regelmäßig nach den Sendungen wütend bin, mutwillig Abendstunden vergeudet zu haben – das lag vor allem an den humorvollen Einlagen des Moderators. Mal davon abgesehen, dass Piraten und Grüne für die Themen logische Gäste waren und dabei die Unternehmerin Frau Delius die im Nachhinein unlogischste, da sie von Raab nur dazu missbraucht wurde, am Ende jeder Runde zusammenzufassen. An der Diskussion selber nahm sie kaum teil.
Das größte Problem waren leider die zahlreichen Unterbrechungen, nicht nur die Werbepausen, sondern das Geschwafel darüber, wer gerade in der Zuschauergunst führt und die Einspieler zum Zuschauer-Auto-Gewinn. Das hat die Diskussion jedes mal wieder im Keim erstickt und das war eigentlich das Bedauernswerte an der Show. Denn Raabs Stil, die Diskussion zu führen hätte vielleicht das Potential, die madige Polit-Talkshow-Welt ein wenig „aufzumischen“, glaube ich. Vielleicht war sie aber auch nur kurzweilig unterhaltsam, da wäre es schön zu beobachten wie sich die Geschichte entwickelt. Ich traue Raab und Pro7 aber zu, auf Zuschauerfeedback einzugehen und an der Show zu schrauben. Bei ARD und ZDF tut sich ja seit Jahren nichts Neues. Oh… vielleicht ist Stefan Raab so eine Art Piratenpartei der Politik-Talkshow-Welt? Naja… aber es gibt ja auch schon länger „log in“ auf einem Digitalkanal von ARD oder ZDF. Die Show ist auch nicht schlecht und etwas anders, zwar ist sie zeitweise ähnlich „ruppig“ im Angang an die Politiker leidet aber unter dem – in jeder Hinsicht – versteckten Sendeplatz, der wenig abgeklärten bis leidenschaftslosen Moderation und der TV-Krankheit schlechthin: zu glauben, man müsste on Air vorlesen, was Menschen im Internet schreiben.
Schade in Bezug auf die „Aboslute Mehrheit“ ist jedenfalls, dass die nächste Sendung erst im Januar sein soll – so sagte es Raab im Abspann. Schade ist aber auch der späte Sendetermin, ich denke Raab würde auch um 20.15 Uhr eine gute, vielleicht bessere Quote holen können. Man kann hier noch an einigen Stellschrauben drehen, aber der erste Aufschlag war zumindest im Feld. Sind wir (Ich bin) gespannt ob und wie Raab den Return verwandelt.
Wer Raab gar nicht mag und ein bisschen Gratifikation dieses Gefühls sucht, dem empfehle ich eine geharnischte Kritik zur Show bei Spiegel Online. Eine, bei der man das Gefühl nicht los wird, Raab hätte dem Autor die Freundin mindestens einmal ausgespannt, eine die klingt, als wären alle Polit-Shows gut und Raab beschmutze mit seinem Versuch das heilige Gefilde des Genres. Ab zu Spiegel Online! Da wünscht man (lies: ich) sich einen Chefredakteur der sowas sagt wie: „Herr Kuzmany, vielleicht lassen wir die Kritik doch lieber von jemand schreiben, der etwas offener in seiner Meinungsbildung ist. Schreiben Sie doch einfach lieber über Gottschalk.“ Kuzmany scheint leider Ungewohntes (wie zum Beispiel die durchaus gewöhnungsbedürftigen Einspieler zu den Themen) per se abzulehnen und hängt sich dann noch an einem etwas angestrengten Rassismusvorwurf gegen Raab auf. Hach… wenn man sich Anfang des Jahres über die Vielzahl an Poltik-Talkshows und die immer wiederkehrenden gleichen Gäste beschwert und sich dann jetzt echauffiert, dass bei Raab andere – angeblich zweitrangige – Köpfe sitzen, dann muss man schon ganz schön… naja mindestens vergesslich sein.
Vielleicht ermutigend für Raab (wenn er das überhaupt braucht): Der Late-Night-Talker Jimmy Kimmel hatte zu Beginn eigentlich auch nur B-Promis als Gäste. Mittlerweile ist er einer der herausragendsten Late-Nighter der USA und die A-Promis – selbst Matt Damon – geben sich die Klinke in die Hand.
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PS. Herr Kuzmany hat seine vernichtende Einschätzung der Sendung übrigens und Gott-Sei-Dank ziemlich exklusiv. FAZ.net und auch SZ äußern sich da vielschichtiger und angemessen kritisch.