Ich mag ja eigentlich Günther Jauch. Darum habe ich mich auch total gefreut, dass er, wenn er schon nicht Bundeskanzler oder -Präsident wird, zumindest die wichtigste Talkshow des Deutschen Fernsehens am Sonntag Abend um… um… wann denn? Ich guck das nie…
Am Sonntag habe ich aber nach dem Länderspiel den Fernseher einfach mal angelassen. Es folgte Günther Jauch mit dem Thema „Fußball-WM in Barasilien – Fest oder Fiasko„. Das ist in mehreren Belangen ein saublöder Titel, denn er ist zunächst von der Formulierung her (gewohnt) zu nah am BILD-Schlagzeilen-Niveau und das ist nichts, mit dem man sich rühmen kann. Angeblich bekommt man mit gemäßigteren Titeln aber weniger Zuschauer, heißt es immer wieder gern. Ich behaupte mal: vielleicht kurzfristig, aber langfristig ist die Strategie mit sachlicheren Titeln eher gewinnbringend – aber darum soll es hier ja gar nicht gehen.
Sondern eher um die zweite Ebene der bescheidenen Titel-Wahl, denn was ist denn überhaupt gemeint? Möchte Günther Jauch tatsächlich über ein sportliches Fest bzw. Fiasko reden? Und in Bezug worauf? Das gesamte Turnier? Die deutsche Mannschaft? Oder geht es doch eher um die Proteste in Brasilien? Im besten Fall kann man de Redaktion hier noch unterstellen, flexibel auf den Ausgang des vorangegangenen Spiels reagieren zu wollen und dementsprechend über die deutsche Mannschaft oder eben.. .alles andere zu sprechen.
Vielleicht muss man sich aber auch einfach mal die Gästeliste ansehen, um beurteilen zu können, worum es gehen soll. Da wäre zuerst Jens Lehmann, diese „Nominierung“ spricht wohl für eine sportliche Sendung, genauso wie die von Bela Rethy der zwar prinzipiell gar nicht geht, aber wohl elf Jahre in Brasilien gelebt hat – wie der Sprecher aus dem Off ankündigt. Gut, das klingt tatsächlich sportlich. Dann ist noch Peter Lohmeyer da, der Schaupsieler, der eigentlich immer bei Fußballthemen mit von der Diskussionspartie ist und der eigentlich immer nur von der romantischen zeit von Erfolgsfußball ohne Geld erzählt – aber Schalke-Fan ist… hmm… man kann darin einen Widerspruch sehen. Aber was macht er nun in der Runde? Genau, er wollte über Spielerprämien diskutieren, das ist zumindest konsequent, steht aber so nicht im Titel der Sendung.Und: Er ist immer ein toller Anlass Szenen aus dem schlimmen „Helden von Bern“-Film zu zeigen, der mich auf voller Länge zu Tode enttäuscht hat, aber wegen des Themas natürlich super sein muss und vermutlich bald wieder in der ARD läuft.
Fehlen noch zwei im Bunde! Bisher scheint es ja eher boulevardisch, sportlich zu werden. Aber jetzt: Da wäre zuerst Claudia Benedikta Roth unsere Fitze-Fatze-Präsidentin des Bundestags. Eigenartig, es geht nicht um Musik in den 60ern oder Energiepolitik, Oliver Geissen ist auch nicht vor Ort… was macht sie also da? Das kann sie später aufklären, sie war zuletzt in Katar und hat sich dort die Arbeitsbeding… Moment… Katar? Mal kurz auf der Karte gucken… nee, Katar ist keine Stadt in Brasilien, das ist dieses Land, wo 2022 die WM ausgetragen werden soll. Hmmm.. Ja.. aber gut, ein Politiker kann ja dennoch nicht schaden, wenn es um politisch motivierte Proteste geht.
Und genau aus diesem Grund wurde die politische Front noch mit dem 10-Minuten-Mann garniert, Edmund „The Schadbär“ Stoiber. Was er mit Brasilien am Zuckerhut (Pa-Tusch!) hat, konnte ich die ganze Sendung über nicht erkennen – er vermutlich auch nicht. Aber er lieferte sich ein überflüssiges Wortgefecht mit Peter Lohmeyer über Spielergehälter, Etats und Prämien. In diesem Kontext wurde sogar noch eine Rede von Uli Hoeneß aus 2007 eingespielt, in der er auf einer Vereinsversammlung die Fans angekackt hatte. Uli Hoeneß… war das nicht dieser… ach… egal. Das Ergebnis war, Peter Lohmeyer wäre doch irgendwie lieber Fan von Mainz 05 oder einem Verein der so ist wie Mainz 05.
Dann ging es unter anderem auch um den Unfall beim PR-Event mit Mercedes, wo sich natürlich Frau Roth über die Fahrt an sich und die Äußerungen von Oliver Bierhoff berufsbedingt echauffierte. Warum man denn solch gefährliche Dinge mache – okay… gut, kann man vermutlich drüber diskutieren, wenn man… ach Gott, nee… und dann aber auch im Zusammenhang mit „so kurz vor einer so wichtigen WM“. Ähm häh?! Ein Mensch schwer verletzt worden, da ist der Zeitpunkt dann doch eher wurscht. Hier sollten sich die Laberbacken aka Diskutanten doch tatsächlich mal einig werden, welchen Dreh sie dem Thema geben wollen. Entweder: Die armen Spieler werden vor einem Turnier geschockt und sind kaum noch leistungsfähig. Oder: Solche Aktionen gefährden Menschenleben und sind generell böse. Meine Meinung: Beides Quark.
Sehr putzig war, als Günther Jauch mit aller Ernsthaftigkeit nachfragte ob die Führerschein-Affäre von Jogi Löw oder die Pinkelaffäre von Kevin Großkreutz nicht das Spiel der Mannschaft beeinflussen und dann (unterstützt von Benedikta) aber auch partout nicht glauben wollte, als Lehmann erklärte, dass das während dem Spiel und eigentlich auch so generell den Spielern total Wumpe ist. Ich erspare mir hier den kurzen Ausflug zu „Spieler sind doch Vorbilder“ und Bela Rethys „aber warum muss das denn so?“ weiter auszuführen.
Das Lustige, es ging 45 Minuten lang nicht mit einer Wortsilbe um Bra- oder -silien und das bei einer Sendungslänge von 60 Minuten. Aber als man schon nicht mehr damit rechnete, kam 15 Minuten vor dem Ende plötzlich das angekündigte Thema aufs Tableau und es folgte der große Auftritt von… Bela Rethy. Denn – die aufmerksamen Leser dieses beitrags erinnern sich – Bela Rethy hat elf Jahre seines Lebens in Brasilien gelebt. Da muss ich zugeben, dass man ihm dann durchaus eine gewisse Kompetenz bezüglich der brasilianischen Kultur… ach gut, nein, er hat seine ersten elf(!) Lebensjahre in Brasilien gelebt. Ich wiederhole das besser nochmal: Die_ersten_elf_Lebensjahre! Er erzählte dann von Public Hearing mit Radios im Stadtpark von irgendwo… und blaaaaaaaaaa (da war bei mir dieses Schutzfiepen im Ohr; kommt immer wenn Rethy spricht, um mein Hirn zu schützen). Das Thema war aber dann doch recht schnell ausschöpfend durch, weil wirklich keiner der Gäste irgend etwas Mehrwertiges oder Erhellendes zu den Protesten sagen konnte. Warum finden die statt, wie sind die Prognosen zur WM, welche Rolle spielt die FIFA, warum sind genau diese Gäste dann zu diesem Thema in der Sendung usw. Viel schlimmer: Irgendwer sagte das „Katar-Wort“ und schwupps war die Gruppe plötzlich bei 50 Grad und da kann man nicht Fußballspielen. Selbst hier wollte sich niemand auf einer tiefergehende Diskussion zu den Arbeitsbedingungen, Sklavenhaltung usw. äußern.
Schlussendlich würde ich gerne noch den „viel geredet – völlig Zusammenhanglos“-Preis an Herrn Stoiber verleihen, ein klarer Favoritensieg! Toll.