Wir mögen nur uns selber!

Ich habe in den letzten Wochen die Debatte um Til Schweigers Engagement zur Flüchtlingshilfe mit großem Befremden verfolgt. Das habe ich gemein mit der Feuilletonistin Johanna Adjoran der FAZ, die in einem etwas längeren aber umso lesenswerteren Artikel hinterfragt, warum Til Schweiger so viel Unverständnis und auch Hass entgegen springt. Hier klicken zum lesen.

Kurze Vorrede zu Til Schweiger von mir: Ich bin weder ein Fan noch finde ich ihn oder seine Filme generell blöd. Er macht unterhaltsames Kino mit einem – aus meiner Sicht – visuell recht ansprechenden Stil. Ich mag Filme wie „Wo ist Fred“ oder „Barfuss“ recht gerne. Andere eher nicht so; sein Tatort ist zum Beispiel schlimm aber das sind die meisten Tatorte. So vom Typ her scheint Til Schweiger etwas schwieriger zu sein, zumindest ist das das Bild, dass ich durch die Medien vermittelt bekomme – er selber hat mich noch nicht zum Essen eingeladen.

Vor ein paar Wochen hat er sich öffentlich zum Flüchtlingsthema geäußert und angekündigt, ein Flüchtlingsheim bauen oder verbessern zu wollen. Aber das und die schlimmen Reaktionen, die er darauf kassiert hat, sind ja soweit auch bekannt.

Wir Deutschen finden Til Schweiger und Dieter Bohlen doof, weil sie mit „trivialem Zeug“ Erfolg haben. Wir himmeln aber gleichzeitig Schauspieler und Regisseure aus Hollywood an (z.B. Benedict Cumberbatch, Tom Hanks, Steven Spielberg…) als würden die ausschließlich Hochkultur verfilmen. Ist Schindlers Liste wirklich eine tiefgehende Analyse? Ist das nicht eigentlich Popcorn-Kino mit „bitte mal nachdenken“-Anspruch? Ist Sherlock eine Serie, die Goethe gern geschaut hätte? Was haben wir uns aufgeregt, als Tom Hanks bei Wetten Dass?? Hasenohren aufsetzen musste. Als wäre er Berthold Brecht und man könne einem Schauspieler der Popcorn-Kino Macht sowas nicht „zumuten“. Wollen wir uns mal seine Filmliste ansehen? Ich vermute, da sind ähnlich viele romantische Komödien drauf, wie Til Schweiger gedreht hat.

Wer von uns schaut denn ausschließlich anspruchsvolle Sendungen in Kino und TV? Haben wir bald ein Problem, dass deutschlandweit die Theaterbühnen extra Ränge anbauen müssen, damit die ganzen Zuschauer überhaupt noch reinpassen? Ist der Volkssoprt Fußball Hochkultur? Oder ist Fußball vielleicht das einzige, wo wir uns mal was „einfaches“ gönnen, mehr darf es dann bitte aber nicht sein! Warum sind die Schach-Turniere nicht besser besucht? Wir müssen mal von unserem hohen Ross runterkommen und aufhören zu denken, die Gespräche die z.B. in Shows wie Big Brother oder dem Dschungelcamp stattfinden, wären typische Gespräche von sehr dummen Menschen. Wer das denkt, dem rate ich, sich abends mal in eine Kneipe zu setzen und den Gesprächen am Nachbartisch zu lauschen. Er wird denken, er wäre von Dummen umgeben! Wenn wir ehrlich zu uns selber sind, müssen wir zugeben, dass wir nur in den wenigsten Gesprächen über Themen sprechen, die die Welt nachhaltig positiv verändern oder uns die Reise zu entfernten Universen und dem ewigen Glück bescheren.

Wir sind ein Volk der „Wir machen uns selber etwas vor“-Macher und vor allem Neider. Schitzophrener Weise erstreckt sich letzterer sowohl auf die Erfolgreichen als jetzt eben auch auf Flüchtlinge, die vom Staat unterstützt werden (sollten), weil: „Erstmal sind ja wohl wir Deutsche dran und denen soll es gefälligst nicht besser gehen als uns!“ Wir gönnen es weder den Promis, die wir durch Kinobesuche, Plattenkäufe usw. „erschaffen“ haben, noch den Unterpriveligierten, die auf der Flucht sind vor Armut, Verfolgung usw.  Eigentlich gönnen wir (kollektiv gesprochen) niemandem außer uns selber (und jeder für sich) irgendwas. Das ist unfassbar bescheuert! Warum sind wir so? Warum sind wir so ein verbittertes Volk?

Ich kann ganz insbesondere nicht nachvollziehen, warum die Politiker und ganz insbesondere Kanzlerin und Innenminister sich nicht (deutlicher) positionieren und die Debatte lenken. Warum scheint das Thema für sie keine Rolle zu spielen? Warum dürfen Flüchtlingsheime brennen, ohne dass Herr deMaziere entschieden gegen die Brandstifter vorgeht? Was sind die Beweggründe von diesen strategisch denkenden Menschen, sich nicht zu äußern, nicht zu handeln?Warum reicht es Journailsten, wenn Angela Merkel sagt, dass „Gewalt gegen Flüchtlinge unseres Landes nicht würdig ist“? Das ist alles!? Nicht würdig? Na dann kann ich jetzt ja wieder meinen Moccachino auf der Terasse trinken, nachdem wir das geklärt haben.

Politische Äußerungen von Volksvertretern erreichen viele Mesnchen und damit lenken sie Stimmungen im Land, bringen Leute (meist) grob auf eine Linie. Die Politiker haben die Möglichkeit eine entsprechend große Aufmerksamkeit zu erhalten, zu erklären warum dies und jenes nötig ist und was das für jeden Einzelnen bedeutet. Nur so können Ängste vor Fremden/Fremdem (seien sie auch noch so absurd) genommen werden. Sonst werden die Flüchtlinge die Hexen der Gegenwart. Das ist die Bildung, von der wir immer sprechen, die z.B. in afrikanischen Staaten helfen soll, vernünftige politische Systeme und ein kritisches und mitdenkendes Volk zu schaffen und der Gewalt EInhalt zu gebieten.

Wenn jetzt Til Schweiger (oder irgendjemand anderes)  handelt, finde ich das super. Mir und vermutlich auch den Flüchtlingen ist es dabei auch  total wurscht, ob es sich um einen PR-Coup handelt. Denn dieser täte niemandem weh, ganz im Gegenteil. Das muss man sich mal vorstellen, da will jemand helfen und er bekommt dafür auf die Socken. Es geht immer noch dümmer… Wenn man noch einen Beweis brauchte, dass das Konzept Religion kollossal defekt ist, dann bitte, hier ist er. Denn das Gebot mit der Nächstenliebe funktioniert wohl irgendwie nicht, dabei steht es doch in diesem dicken Buch und sogar der „Shortlist“ drin.

 

3 Comments

  1. > Wer von uns schaut denn ausschließlich anspruchsvolle Sendungen in Kino und TV?
    ich! ;-)))

    Ich neide T.S. gar nix, aber ich find ihn einfach doof/dumm/wie-auch-immer-das-richtige-Adjektiv-lautet….

    Als ich (erst spät) die Debatte mitbekommen und dann in dem Zusammenhang einige seiner Twitter/Facebook-Kommentare gelesen habe, merkte ich auch wieder, warum ich den so doof finde. Die Kommentare lesen sich so, als hätte sie ein pubertierender Troll geschrieben. Das ist nicht nur ein bisschen unter seinem zweifelsfrei vorhandenem Intellekt, sondern vor allem ist es auch hinderlich seiner eigenen Sache — ein paar „coole“ Sprüche wären da doch sicherlich angebrachter gewesen.

    Auch sein Eigenlob, dass sich der Vizekanzler seinen Ärger angehört hat und die Bilder, war herrlich naiv… Das könnte man aber auch wunderbar über Sigi-Pop schreiben.

    Nun, über obiges schreiben haben andere ja schon mehr als genug gemacht.

    Ansonsten find ich’s auch gut, dass er das mit dem Flüchtlingsheim machen will.
    Schade auch, dass die offiziellen Amtsstellen (Asylbehörde, Bundesamt f. Migration, …) neben berechtigter Hinweise (zB zur Zusammenarbeit) aber sofort „von Amts wegen“ hundert Mäkel finden müssen…

    OK, zu Politikern der ersten CDU, SPD Reihe hast Du alles geschrieben.

    Die generelle Kritik an der „deutschen Volksseele“ teile ich auch so halbwegs (heißt übersetzt, großes Lob ;-P )

    Cheers, Bulldo
    PS: ich mag mich selber auch (fast) am liebsten

  2. ich stimme dir natürlich zu – insbesondere, wei ldu mir größtenteils zustimmst! was seinen tonfall angeht, den finde ich auch nervig und sehr emotional, von mir aus auch leidenschaftlich.

    einerseits ist das ein zeichen dafür, wie sehr er an seiner idee bzw. seiner überzeugung „hängt“. man lässt sich nun mal nicht gerne sagen, dass sein baby hässlich ist, was in diesem fall ja auch falsch wäre. ich finde aber den einwurf der autorin in dem verlinkten artikel gut. da schreibt sie, dass sie es eigenartig findet, dass schweigers art, wie er gesprochen oder geschrieben hat, maßgeblich den inhalt in frage stellt. und da hat sie recht. das würde nämlich nur bedeuten, dass eloquent geäusserte kritik/meinung… eine chance hat, gehört zu werden. d

    ich finde, da muss man schon mal drüber nachdenken. ist es fair, den maßstab, den man für sich selber gesetzt hat, auch bei anderen anzulegen? das wäre ja ähnlich, als würde man menschen nur nach der kleidung bewerten. und das wäre auch sehr oberflächlich.

    noch zum schluss: ich weiß nicht, ob das gabriel-bild etwas mit eigenlob zu tun hat, oder eher mit „schaut her, so falsch können meine äußerungen nicht gewesen sein, wenn sich der fitze-fatze mit mir trifft“.

  3. > maßgeblich den inhalt in frage stellt. und da hat sie recht. das würde nämlich

    Ja, ok.
    Für mich stellt das allerdings nicht maßgeblich den Inhalt in Frage im Sinne dessen, „hat er nun doch nicht Recht?“ – sondern es stellt für mich den Inhalt in Frage im Sinne von „ist T.S. die richtige Person, um so etwas öffentlich zu promoten?“ (zB sollte er ein Heim nicht einfach fördern/errichten ohne Publicity dazu?)

    Bei allen anderen Leuten, (die „eloquent“ mit Twitter/FB umgehen können — also für mich würde reichen, wenn er nicht ausfallend würde, sondern die niveaulosen unter seinen Kritiker einfach mit einem knackigen Spruch bloßstellen würde), würde ich natürlich auch sofort begrüßen, dass sie ihr Engagement auch öffentlich machten, einfach um eine sichtbare Gegenposition zu all den Anschlägen und einer stillen Befürworterschaft derer entgegenzusetzen.

    Aber manchmal — ob wegen seiner „Eloquenz“ oder sonstwie seiner polarisierenden Eigenschaften („man liebt oder hasst ihn“) — ist es manchmal kontraproduktiv, wenn einer wie T.S. da aktiv wird als wenn das ein anderer (auch gerne aus der Unterhaltungsbranche) machen würde.

    > noch zum schluss: ich weiß nicht, ob das gabriel-bild etwas mit eigenlob zu tun hat, oder eher mit „schaut her, so falsch können meine äußerungen nicht gewesen sein, wenn sich der fitze-fatze mit mir trifft“.

    Jupp. Deswegen ist es ja so naiv. (Zumindest vordergründig, vielleicht weiß er es ja auch selber…)

    Cheerio, B

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