Spiegel-Kommentar-Kommentar

Trotz der Gefahr, dass ich mich wegen wenig Recherche und Polemik auf das Niveau eines Boulevard-Blattes begebe… ich möchte dringend diesen Spiegel-Kommentar… ähm… kommentieren.

Nach einer etwas elitären, wohl ironisch gemeinten Einleitung (fail), schreibt dort der Autor:

Parlamentarier arbeiten viel (jedenfalls im Regelfall), sie stellen sich in den Dienst der Allgemeinheit, und dafür haben viele von ihnen sogar einen deutlich lukrativere Stelle verlassen. Wenn wir gute Leute im Bundestag haben wollen, die ihren Job ernst nehmen, müssen wir sie auch anständig bezahlen. Höhere Diäten? Aber sicher! Und übrigens: Gerne können sie künftig auch automatisch an die Lohn- und Gehaltsentwicklung in Deutschland angepasst werden. Das macht die Sache ein Stück transparenter.

Nun… ich liiiiebe diese Argumentation, denn sie ist Quatsch! Genauso wie Politiker stellen sich zahlreiche Berufsgruppen wie Müllmänner, Lehrer, Krankenschwestern und… Krankenbrüder(?) in den Dienst der Allgemeinheit. Dabei verdienen sie deutlich schlechter und können sich vor allem nicht über eine Lohnsteigerung von ca. 20% in den letzten 14 Jahren freuen. Denn, das vielleicht mal zur Erläuterung, um 2000 herum, verdienten die Parlamentarier noch etwa 6.000 Euro, jetzt 8.200 Euro. Und noch kurz der Ausflug zur Altersvorsorge, die ja im Kontext der Diätenerhöhung gesenkt wurde: Sie wurde von 67,5% auf 65% gesenkt. Der „normale“ Arbeitnehmer, darf sich über ca. 43% „freuen“. Also mal generell: Fühlt sich das fair an?

Aber ich wollte eigentlich etwas zur Argumentation schreiben. Dort formuliert der Autor, viele Politiker hätten eine deutlich besser dotierte Stelle für das Amt verlassen. Zunächst einmal, kann ich mich nicht erinnern, dass sie irgendwer dazu gezwungen hat. Die Entscheidung haben sie – in Einzelfällen auch glücklicherweise – freiwillig getroffen. Und ich vermute, sie wussten, worauf sie sich eingelassen haben. Und eigentlich ist genau das der richtige Weg, dass Menschen nicht wegen des tollen Gehalts sondern wegen einer Menge Idealismus in die Politik wechseln, weil sie einen gewissen Machtanspruch (man sollte das Wort nicht per se dämonisieren) haben und vor allem den Willen, Prozesse und Gesetze im Land zu verbessern. Ich glaube, Politiker, die wegen des Geldes im Parlament sitzen, braucht kein Mensch.

Und es geht auch gar nicht darum, dass wir die Politiker nicht „anständig“ bezahlen wollen. Das ist eine sehr eigenartige, kurze stammtischartige Argumentation. Ich glaube, selbst wenn die Herrschaften 6.000 Euro bekämen, wären/sind sie im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung noch sehr anständig bezahlt. Es behauptet aber doch auch niemand, dass man die Politiker unanständig bezahlen will… unanständig wenig. Die Arbeitsleistung, die ein Politiker erbringen muss, ist sicherlich mindestens zeitlich anspruchsvoller als das was so mancher von uns leisten muss. Dazu kommt auch ein gerüttelt Maß Verantwortung, keine Frage. Aber dafür haben sie halt auch die Gestaltungsmacht, die viele insbesondere in diesem Maße nicht haben. Und wir wollen das Fass nicht aufmachen, wie viel Verantwortung ein lehrer oder eine Krankenschwester trägt…

Zuletzt möchte ich noch die Behauptung des Autors in Frage stellen, die Kopplung der Politikergehälter an die Gehaltsentwicklung in Deutschland seie transparent. Darauf muss man ertsmal kommen! Die Gehaltserhöhungen finden nach geplanter Regelung in Zukunft automatisch statt – und vor allem auch ohne Diskussion. Mal ganz davon abgsehen, dass bei z.B. 1,5% Lohnsteigerung in Deutschland sich bei einem Gehalt von 8.200 Euro schon „geiler“ anfühlen als bei einem Gehalt von 1.200 Euro. Da geht die Schere doch ganz klar auseinander, das wird zwingend unverhältnismäßig. Aber es geht mir um die Transparenz! Es ist viel transparenter, immer wieder über Diätenerhöhungen zu diskutieren, statt sie nebenbei steigen zu lassen. Und man darf hier den Parlamentariern durchaus auch unterstellen, dass sie mit dieser automatischen Steigerung ihrer Bezüge genau diese transaprente Diskussion in Zukunft umgehen wollten. Japp, behaupte ich!

Im zweiten Teil des Spiegel-Kommenatrs geht es um mangelhafte Transparenz der Nebeneinkünfte. Ja da stimme ich dem guten Mann zu, die darf und muss man kritisieren. Wobei ich mich schon wundere, wenn er oben davon schreibt, wieviel die Politiker arbeiten und dann unten nicht in Frage stellt, wie sie für ihre Nebeneinkünfte überhaupt noch Zeit haben…

Generell habe ich gar kein Problem damit, die Diäten von Politikern mal genauer anzusehen und ggf. auch zu erhöhen. Trotz allem Idealismus und auch der Machtfülle, die mit dem Amt einhergeht, darf man das entsprechend entlohnen. Aber so wie es geplant ist, erscheint es – auch abseits von Stammtischdiskussionen – doch höchst fragwürdig in Höhe der Diäten, der Altersversorgung und auch der geplanten Kopplung an die Gehaltsentwicklung in Deutschland.

Es ist einfach hirnrissig, Politiker selber über ihr Gehalt bestimmen zu lassen. Das muss generell (ob Politiker oder nicht) einfach schief gehen. Selbst wenn von 10 Angestellten, neun sich selber ein vernünftiges Gehalt zuordnen, wird sicherlich der Zehnte einfach mal auf die Kacke hauen und bei der nächsten Gehaltsverhandlungsrunde einer nach dem anderen der anderen neun umfallen, und sich in Zukunft auch den Urlaub auf den Malediven leisten wollen. Das ganze Konstrukt muss hier mal überdacht werden, genau in diese Richtung sollte man die Debatte mal schieben.

2 Comments

  1. Es gab vor einigen Jahren mal einen sehr guten Leserbrief in der FAZ zu diesem Thema (leider habe ich den nicht mehr). Dort schrieb ein Professor was für Qualifikationen er für seine Stelle benötigt. Sein Gehalt lag dafür irgendwo im Bereich 4500€. Dann stellte er die Frage was ein für eine Qualifikation ein Landtagsabgeordneter in NRW, für ein Gehalt von ca. 7800€, braucht (die Pensionsansprüche lassen wir mal unerwähnt). Antwort: ein Parteibuch!

  2. Gudn Tach,

    hmmmm… schwierige Angelegenheit.
    Ich werd mal ein paar weitere Denkanstöße geben…

    I) Höhe der Bezüge

    1. Ich glaube nicht, dass wir nur Idealisten oder Machtmenschen als Politiker haben sollten — insbesondere für die Fachgremien (viele Mitglieder dort typischerweise als „2. Reihe“ wahrgenommen) wären doch Experten angebracht, die alternativ zum Beispiel gutbezahlte Industrie-Jobs nehmen könnten. Die Aufgaben der Exekutive halte ich für derart anspruchsvoll und damit die Suche nach Leuten mit entsprechender Qualifikation für kompetitiv, dass ich diese Leute auch spitzenmäßig bezahlen würde. „Zunächst einmal, kann ich mich nicht erinnern, dass sie irgendwer dazu gezwungen hat. Die Entscheidung haben sie – in Einzelfällen auch glücklicherweise – freiwillig getroffen.“ — ja genau das würde ich weiter befördern wollen, und zwar gerne auch im Wettbewerb mit anderen spannenden, gut bezahlten Berufen. Es ergeben sich 2 Fragen:

    1a) Warum sind Politiker in erster Linie immer noch Parteisoldaten und keine „Quereinsteiger“ und wie kann man das brechen? Ich denke, bessere Bezahlung wäre da ein Baustein.

    1b) Was ist die wettbewerbsfähige Bezahlung? Momentan gibts da wohl eher eine Schieflage bei vielen Managergehältern der obersten Regionen (das ist aber ein anderes Thema) … daher kann man damit wohl nicht gleichziehen, obwohl ich das durchaus angemessen empfände (wohlgemerkt 1. Reihe Politik = 1. Reihe Manager, 2. Reihe Politik = 2. Reihe …, …). Interessant wäre für mich mal zu sehen, wie die Entlohnung sich mit Perzentilen anderer, hochbezahlter Berufsgruppen vergleicht. In eine ähnliche Richtung geht auch Martins Kommentar, wobei mir ein Professorengehalt von 4.500 EUR monatlich als eher wenig erscheint, zumindest für W3 — daher wäre ein detaillierte Statistik interessant, insbesondere für die Berufe im öffentlichen Dienst gibt es da eine fundierte Datenlage (also Professoren, Richter, Lehrer, Bedienstete im ÖTV, etc.)

    2. Der Vergleich mit anderen Berufsgruppen, die Du nennst, hinkt gewaltig. Im kapitalistischen Systemen sind Gehälter noch nie nach der „absoluten Wichtigkeit“, dem „Allgemeinnutzen“ oder ähnlichem bestimmt worden, sondern nach „Angebot und Nachfrage“. Die Kernfrage lautet also, wieviele dafür kompetente Leute würden einen solchen Beruf annehmen? Ich denke, man kehrt zurück zu meinem Punkt 1. Wenn man sehr fähige Leute will, muss man kompetitiv entlohnen. Da sind mir auch Referenzen zu „normalen Arbeitnehmern“ und „Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung“ erst einmal egal. Wie gesagt, Problem ist, dass die Industrie in den Top-Positionen nicht mit Augenmaß entlohnt. (Da gibt es übrigens viele zT gute Studien zu, warum das insbesondere in den letzten 15 Jahren so abgehoben hat). “ Und wir wollen das Fass nicht aufmachen, wie viel Verantwortung ein lehrer oder eine Krankenschwester trägt…“ — dem stimme ich zu, lieber nicht diskutieren, weil Angebot & Nachfrage zählt, nicht absolute Leistung für die Gesellschaft. Nun kann man ein System der (sozialen) Marktwirtschaft generell in Frage stellen. Ich denke aber, dass das nicht Deine Intention war.

    II) Wachstum der Bezüge

    1. Interessant Deine Aussage „Es ist einfach hirnrissig, Politiker selber über ihr Gehalt bestimmen zu lassen. Das muss generell (ob Politiker oder nicht) einfach schief gehen.“ — genau dieses Argument spricht doch dafür, die Bezüge an das generelle Wachstum der Löhne zu koppeln, oder etwa nicht? Was ist denn der Gegenvorschlag, der Transparenz bringt und eine Selbstbestimmung vermeidet?

    2. Es ist wenig ratsam, Wachstumsraten über längere Zeiträume kumuliert zu diskutieren. Ich sage das nicht, um die Steigerungen von 20% oder 37% zu rechtfertigen (welche Zahlen sind jetzt richtig? 8.200/6.000 – 1 = 37%). Es ist einfach schlichtweg irreführend. 20% bzw. 37% innerhalb von 14 Jahren entspricht einer jährlichen Steigerung von 1.3% p.a. bzw. 2.3% p.a. Das könnte tatsächlich ungefähr auf Steigerung der Nominallöhne liegen (z. Vgl. liegen Tariferhöhungen typischerweise im 1 bis neuerdings 3% p.a. Bereich, oft über eine Tarifvertragslaufzeit von 1 bis knapp 2 Jahren — hier ein kurzer Vergleich durch eine von mir nicht geprüfte, jedoch wohl glaubwürdige Quelle http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/kraeftige-tariferhoehung-3-7-prozent-mehr-lohn-in-der-chemiebranche-12786569.html, „Innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren haben sich damit sowohl die Tariflöhne der 3,7 Millionen Metaller als auch der 550.000 Chemie-Beschäftigten um mehr als 30 Prozent erhöht. Im Durchschnitt der Gesamtwirtschaft sind die Tariflöhne hingegen in den vergangenen Jahren nur um etwa 23 Prozent gestiegen. Das zeigen Berechnungen dieser Zeitung auf Basis der Tarifdaten des Statistischen Bundesamts. Die Tariferhöhungen in der Bauwirtschaft und im öffentlichen Dienst blieben dagegen mit etwa 21 Prozent etwas zurück. Die Verbraucherpreise haben sich von 2003 bis 2013 um rund 18 Prozent erhöht.“ Nur zur Sicherheit: die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst schließen natürlich Diäten und auch Bezüge Beamteter _nicht_ mit ein. So oder so wird glaube ich deutlich, dass kumulierte Angaben über längere Zeiträume nicht hilfreich sind.

    3. Interessant ist der Punkt über die relative vs. absolute Steigerung („Mal ganz davon abgsehen, dass bei z.B. 1,5% Lohnsteigerung in Deutschland sich bei einem Gehalt von 8.200 Euro schon “geiler” anfühlen als bei einem Gehalt von 1.200 Euro.“) Das ist ein guter Punkt. Wie sollte man dies berücksichtigen? Das ist auch eine Frage bzgl. der Vergleichsgehälter, siehe I.

    III) Pensionsansprüche

    Absolute Schieflage hier. Nicht zu vermittelnde Höhen insbesondere bei relativ kurzfristigen Arbeitsperioden (zB 2 Legislaturperioden). Muss deutlich gekürzt werden. Am besten könnte man es Abdecken durch eine Bürgerversicherung, dann gibts da auch keine Vergleichsschwierigkeiten. Transfer zurück in andere Berufe scheint ja kein Problem zu sein (was ich befürworte mit entsprechenden Karenzzeiten) — von daher ist die historisch angedachte Gewährleistung von „Unabhängigkeit“ und Absicherung der Berufspolitiker durch ihre Pensionen kein Thema mehr.

    IV) Nebenverdienste

    Für mich ebenfalls unerklärlich. Nahezu jeder in einem „normalen“ Beruf hat entweder keine Zeit für zusätzliche Verdienstmöglichkeiten oder muss arbeitsvertragsgemäß von solchen Abstand nehmen. Interessenskonflikt ist mit Nebeneinkünften vorprogrammiert.

    Hmmm, das wars erstmal.
    Ich hoffe, das hilft bei der Bewertung.

    Cheerio
    Bulldo

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