Man kann nicht nicht reagieren

Langsam, zart und vorsichtig wird von den Medien ein Statement von Angela Merkel zu den Vorfällen um das Flüchtlingsthema herum gefordert (Mir fällt gerade leider keine gelenkere Einleitung in dieses Posting ein – aber darum soll es gehen).

Die Debatte über Flüchtlinge und auch die aggressiven „Meinungsäußerungen“ vor Flüchtlingsheimen sind nun bereits einen knappen Monat alt und erst jetzt fordern Journalisten das, was sie eigentlich nie hätten einfordern sollen müssen. Der Weg dahin stellt sich in – meiner kleinen Welt – so dar, dass zunächst einmal die Vorfälle thematisiert wurden. Da ging es um den Flüchtlingsstrom, wie in Deutschland Flüchtlinge untergebracht werden und wie sie in Europa untergebracht werden und auch um die Gewalt und der Hass, der den Menschen entgegen schlägt.

Erst seit (gefühlt) einer knappen Woche werden deutlicher Äußerungen der Politiker zum Geschehen eingefordert – diese waren aber zunächst nur diffus an „die Politik“ gerichtet. Und interessanterweise stand dabei nur ein bisschen der Innenminister im Fokus. Und selbst das war dem ein oder anderen augenscheinlich zu viel. Philipp Lengsfeld (MdB, CDU) fragte am Wochenende zum Beispiel nach dem Mandat der Frankfurter Rundschau. „Mandat“… Soso… Besteht die Lebenswirklichkeit von Politikern aus Mandaten? So wie ein Brotback-Mandat oder ein Bahnfahrer-Mandat?

Das merkelsche Sommerinterview kam dazwischen, wo sie etwas von Würde babbelte, aber die Medien (zumindest das ZDF) gab sich voreilig und wenig refklektiv, was denn überhaupt der Inhalt und die Konsequenz der Wort sind, mit ihrer „Antwort“ vorschnell zufrieden.

Seit den Ereignissen in Heidenau an diesem Wochenende hat sich dies aber ein wenig gewandelt – ein Statement der Kanzlerin wird eingefordert. Die Redaktion der Tagesschau hat dazu einen sehr schönen Tweet verfasst. Der nächste Schritt wäre, dass dieser auch offensiv in Talkshows, Nachrichten eingefordert wird und zwar im direkten Gespräch mit ihr. Und Herr DeMaziere versteckt sich auch schön hinter der Wortwahl der Kanzlerin, eine inhaltiliche Ausgestaltung seines Geschwurbels bleibt er aber schuldig.

Auch indirekt wird ein Statement der Kanzlerin eingefordert – bei der SZ wird Frau Fahimi von der SPD „vorgeschoben„. Aus der Ferne, mit gerlerntem Hintergrund und mit einer Portion der Vereinfachungs-und-Verzerr-Brille aus ingonischen Sicht ist so, dass Journalisten ihren Job auch dadurch sichern, dass sie Zugriff auf Informationen haben, die ein Kollege vielleicht gerade nicht hat. Diese Infos bekommen sie aber nicht bei offiziellen Pressekonferenzen, sondern eben im „Hinterzimmer“. Logisch, dass man – um in das Hinterzimmer gelassen zu werden – aber ein gutes Verhältnis zu dem Politiker benötigt. Da will es natürlich wohl überlegt sein, wann und ob man den Kopf wirklich weit rausstreckt und etwas von denen einfordert, die augenscheinlich nichts sagen oder tun wollen, denn sonst hätten sie das ja sicherlich bereits getan. Also wird zunächst diffus gefordert und ständig rechts und links geschaut, ob man den Kopf nicht schon jetzt zu weit rausgestreckt hat. Denn das wäre nur selten wirklich erstrebenswert. Bis man dann aber einen konkreten Politiker und insb. die Bundeskanzlerin zu einer Handlung auffordert, sollte man aber zumindest das Gefühl haben, dass alle Kollegen bei dieser Forderung mitziehen. Denn es ist auch nicht im Sinne des Politikers, alle Journalisten kollektiv aus dem Hinterzimmer zu verbannen – denn das ist auch für sie ein strategisch wertvolles Werkzeug.

Wenn ich nun aber so in mich reinhorche, bin ich an diesem Statement nicht mehr interessiert. Ich fand es spannender zu erfahren, wann Angela Merkel agiert, was sie sagt und wie dann das Echo in der Bevölkerung und den Medien darauf aussieht – nicht wie sie nun reagiert. Das ist so ein bisschen wie eine eingeforderte Entschuldigung, so wirklich glücklich und zufrieden ist damit am Ende niemand. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier hat am Wochenende gefragt, welche strategischen Gründe hinter Merkels Nichtssagen stecken könnten, weil er es einfach nicht verstehe.

Die Antwort darauf kann doch eigentlich nur zynisch sein, oder? Vermutlich ist es für Merkel zumindest aus strategischer Sicht einfach wurscht! Generell ist es für sie einfach konsequenzbefreit, ob sie etwas sagt oder nicht. Das wurde nun schon viele Jahre immer wieder bewiesen. Wählt eine ausreichend große Mehrheit deshalb die Alternative? Und hat sich die SPD in irgendeiner Form positioniert? Hat sich Sigmar Gabriel hingestellt und etwas zu den Ausschreitungen gesagt? Gut, er hat ein Foto mit Til Schweiger gemacht… das ist allerdings tatsächlich mehr, als von Frau Merkel kam. Die einzige Partei, die fortwährend etwas gesagt hat, war die CSU. Die sollte sich aber wirklich mal Gedanken darüber machen sollte, wie sie „christlich“ definiert und das vielleicht auch in ihre Leitbild schreiben sollte, denn mit Nächstenliebe haben die Vorschläge, Wortbeiträge und Dramatisierungen der Situation alle nichts zu tun.

Eine zentrale Aufgabe von Politikern ist es Richtlinien vorzugeben und Leitplanken zu setzen, in denen sich die Gesellschaft bewegt, sonst könnten wir uns die ganzen Gesetzte ja auch sparen. So komisch sich das auch anfühlen mag, ist es genau das, was vermutlich gerade fehlt. Die Leitplanken sind dabei nicht die Lösung vieler Probleme, aber sie geben Rückendeckung oder eben auch Gegenwind. Sie verstärken die Meinung einer Partei der Gesellschaft und geben einer Haltung mehr Legitimation, als der anderen. Solche Leitplanken sollten aber – das ist zumindest mein Verständnis – initiativ von Politikern gesetzt werden. Es sollte agiert werden, stattdessen wird hier im besten Falle reagiert, nach dem Motto „man kann nicht nicht reagieren“. Was hier gerade passiert, führt zu Politikverdruss der aus einer gefährlichen Richtung kommt, aus „ICH hab ja eh keinen Einfluß“ wird „DIE machen ja eh nix“. Letzteres führt vielleicht auch zu Situationne wie in Ferguson in Amerkia, wo sich Bürgerwehren ohne „Mandat“ (siehe Lengsfeld) bilden.

Es ist schon in Ordnung, wenn jeder Einzelne sich aufgefordert fühlt, etwas zu tun, um zu helfen. Man sollte sich nicht verstecken hinter der Tatenlosigkeit der Politiker. Aber es wäre nun einfach angebracht, wenn die Helfer und Engagierten die Rückendeckung bekommen, die sie brauchen, um sich dem (gewalttätigen) Mob entgegen zu stellen.

 

***UPDATE***

Angela Merkel hat über ihren Pressesprecher eine Erklärung abgegeben. Also eine Erklärung zweiter Klasse über Bande und signalisiert, dass ihr das Thema nun nicht so wahnsinnig wichtig zu sein scheint. Außerdem fehlte in der Aussage auch jegliche Aussicht auf Handlungen, Konsequenzen usw. Es war eine Beschreibung des Status Quo. Und für die Beschreibung eines Status Quo braucht man kein Gestaltungsorgan (Regierung) sondern einfach nur die Presse.

Wir mögen nur uns selber!

Ich habe in den letzten Wochen die Debatte um Til Schweigers Engagement zur Flüchtlingshilfe mit großem Befremden verfolgt. Das habe ich gemein mit der Feuilletonistin Johanna Adjoran der FAZ, die in einem etwas längeren aber umso lesenswerteren Artikel hinterfragt, warum Til Schweiger so viel Unverständnis und auch Hass entgegen springt. Hier klicken zum lesen.

Kurze Vorrede zu Til Schweiger von mir: Ich bin weder ein Fan noch finde ich ihn oder seine Filme generell blöd. Er macht unterhaltsames Kino mit einem – aus meiner Sicht – visuell recht ansprechenden Stil. Ich mag Filme wie „Wo ist Fred“ oder „Barfuss“ recht gerne. Andere eher nicht so; sein Tatort ist zum Beispiel schlimm aber das sind die meisten Tatorte. So vom Typ her scheint Til Schweiger etwas schwieriger zu sein, zumindest ist das das Bild, dass ich durch die Medien vermittelt bekomme – er selber hat mich noch nicht zum Essen eingeladen.

Vor ein paar Wochen hat er sich öffentlich zum Flüchtlingsthema geäußert und angekündigt, ein Flüchtlingsheim bauen oder verbessern zu wollen. Aber das und die schlimmen Reaktionen, die er darauf kassiert hat, sind ja soweit auch bekannt.

Wir Deutschen finden Til Schweiger und Dieter Bohlen doof, weil sie mit „trivialem Zeug“ Erfolg haben. Wir himmeln aber gleichzeitig Schauspieler und Regisseure aus Hollywood an (z.B. Benedict Cumberbatch, Tom Hanks, Steven Spielberg…) als würden die ausschließlich Hochkultur verfilmen. Ist Schindlers Liste wirklich eine tiefgehende Analyse? Ist das nicht eigentlich Popcorn-Kino mit „bitte mal nachdenken“-Anspruch? Ist Sherlock eine Serie, die Goethe gern geschaut hätte? Was haben wir uns aufgeregt, als Tom Hanks bei Wetten Dass?? Hasenohren aufsetzen musste. Als wäre er Berthold Brecht und man könne einem Schauspieler der Popcorn-Kino Macht sowas nicht „zumuten“. Wollen wir uns mal seine Filmliste ansehen? Ich vermute, da sind ähnlich viele romantische Komödien drauf, wie Til Schweiger gedreht hat.

Wer von uns schaut denn ausschließlich anspruchsvolle Sendungen in Kino und TV? Haben wir bald ein Problem, dass deutschlandweit die Theaterbühnen extra Ränge anbauen müssen, damit die ganzen Zuschauer überhaupt noch reinpassen? Ist der Volkssoprt Fußball Hochkultur? Oder ist Fußball vielleicht das einzige, wo wir uns mal was „einfaches“ gönnen, mehr darf es dann bitte aber nicht sein! Warum sind die Schach-Turniere nicht besser besucht? Wir müssen mal von unserem hohen Ross runterkommen und aufhören zu denken, die Gespräche die z.B. in Shows wie Big Brother oder dem Dschungelcamp stattfinden, wären typische Gespräche von sehr dummen Menschen. Wer das denkt, dem rate ich, sich abends mal in eine Kneipe zu setzen und den Gesprächen am Nachbartisch zu lauschen. Er wird denken, er wäre von Dummen umgeben! Wenn wir ehrlich zu uns selber sind, müssen wir zugeben, dass wir nur in den wenigsten Gesprächen über Themen sprechen, die die Welt nachhaltig positiv verändern oder uns die Reise zu entfernten Universen und dem ewigen Glück bescheren.

Wir sind ein Volk der „Wir machen uns selber etwas vor“-Macher und vor allem Neider. Schitzophrener Weise erstreckt sich letzterer sowohl auf die Erfolgreichen als jetzt eben auch auf Flüchtlinge, die vom Staat unterstützt werden (sollten), weil: „Erstmal sind ja wohl wir Deutsche dran und denen soll es gefälligst nicht besser gehen als uns!“ Wir gönnen es weder den Promis, die wir durch Kinobesuche, Plattenkäufe usw. „erschaffen“ haben, noch den Unterpriveligierten, die auf der Flucht sind vor Armut, Verfolgung usw.  Eigentlich gönnen wir (kollektiv gesprochen) niemandem außer uns selber (und jeder für sich) irgendwas. Das ist unfassbar bescheuert! Warum sind wir so? Warum sind wir so ein verbittertes Volk?

Ich kann ganz insbesondere nicht nachvollziehen, warum die Politiker und ganz insbesondere Kanzlerin und Innenminister sich nicht (deutlicher) positionieren und die Debatte lenken. Warum scheint das Thema für sie keine Rolle zu spielen? Warum dürfen Flüchtlingsheime brennen, ohne dass Herr deMaziere entschieden gegen die Brandstifter vorgeht? Was sind die Beweggründe von diesen strategisch denkenden Menschen, sich nicht zu äußern, nicht zu handeln?Warum reicht es Journailsten, wenn Angela Merkel sagt, dass „Gewalt gegen Flüchtlinge unseres Landes nicht würdig ist“? Das ist alles!? Nicht würdig? Na dann kann ich jetzt ja wieder meinen Moccachino auf der Terasse trinken, nachdem wir das geklärt haben.

Politische Äußerungen von Volksvertretern erreichen viele Mesnchen und damit lenken sie Stimmungen im Land, bringen Leute (meist) grob auf eine Linie. Die Politiker haben die Möglichkeit eine entsprechend große Aufmerksamkeit zu erhalten, zu erklären warum dies und jenes nötig ist und was das für jeden Einzelnen bedeutet. Nur so können Ängste vor Fremden/Fremdem (seien sie auch noch so absurd) genommen werden. Sonst werden die Flüchtlinge die Hexen der Gegenwart. Das ist die Bildung, von der wir immer sprechen, die z.B. in afrikanischen Staaten helfen soll, vernünftige politische Systeme und ein kritisches und mitdenkendes Volk zu schaffen und der Gewalt EInhalt zu gebieten.

Wenn jetzt Til Schweiger (oder irgendjemand anderes)  handelt, finde ich das super. Mir und vermutlich auch den Flüchtlingen ist es dabei auch  total wurscht, ob es sich um einen PR-Coup handelt. Denn dieser täte niemandem weh, ganz im Gegenteil. Das muss man sich mal vorstellen, da will jemand helfen und er bekommt dafür auf die Socken. Es geht immer noch dümmer… Wenn man noch einen Beweis brauchte, dass das Konzept Religion kollossal defekt ist, dann bitte, hier ist er. Denn das Gebot mit der Nächstenliebe funktioniert wohl irgendwie nicht, dabei steht es doch in diesem dicken Buch und sogar der „Shortlist“ drin.