Na da war ja gestern mal was los in Düsseldorf, Fortuna ist (vielleicht) aufgestiegen und ganz nebenbei gab es noch kriegsähnliche Zustände auf und neben dem Rasen.
Was Tom Bartels – der Kommentator der ARD, dessen eigentliches und ausschließliches Fachgebiet RTL-Skispringen ist (imho) – da größtenteils berichtete war hanebüchen und ich würde mir eine Pressekonferenz wünschen, wo er sich dafür entschuldigt. Und da meine ich jetzt nicht einmal den generellen Kommentar zum Sportlichen, der zwar „brääääh“ war, aber nicht ganz so ein Unfug wie das, was Bela Rethy oder Wolf-Christoph Fuss verzapfen, sondern seine Kriegsberichterstattung.
Bei den ersten Scharmützeln, als in den Fanblocks der Berliner und Düsseldorfer die Bengalos abgebrannt wurden, bin ich voll auf seiner Seite. Da kann man fast nicht genug skandalisieren. Ich wundere mich ehrlich gesagt, dass es bisher zu keinen schweren Verbrennungen kam, wenn die Teile abfackeln. Ich sag jetzt mal kulturpessimistisch: „Vermutlich muss da erst was ganz Schlimmes passieren, bis alle aufwachen!“
Mich störte seine aufgeregten Erzählungen, als die Fans in der Nachspielzeit den Rasen stürmten. Japp, das war total dämlich, seh ich ein, auch, dass sie bereits Minuten vorher aus dem Block und bis zur Werbebande vorgerückt waren, ist an Blödheit eigentlich nicht zu überbieten, ABER! Tom Bartels hat selber immer wieder formuliert, dass die Fortuna und insb. die Fans jetzt seit 15 Jahren auf die Rückkehr in die erste Liga warten. Und vor nicht allzu langer Zeit, als die Fortuna gerade den Aufstieg in die zweite Liga geschafft hatte, wäre sie ja fast durchmarschiert in die erste. Und nach einer überragenden Hinserie in dieser Saison kam eine abstiegsreife zweite Halbserie dazu. Da staut sich natürlich Emotion und Anspannung in den Fans auf. Und umso mehr wollten alle – gerade nachdem die Hertha in Minute 84 mit dem 2:2 plötzlich wieder knapp am Klassenerhalt war – dass endlich abgepfiffen wird.
Als dann vermutlich Einige fälschlicher Weise das Ende des Spiels in der 94 Minute erkannt haben wollten und auf dem Rasen rannten, setzte eine Kettenreaktion ein (vermute ich jetzt mal). Der eine rennt los, plötzlich werden andere angesteckt und rennen mit. Man will ja nix verpassen. Das kann man sehr schön im Stehplatzbereich bei Konzerten nachspielen. Während man auf den Mainact wartet, einfach mal aufstehen (meistens sitzt man ja auf dem Boden und wartet), es werden zahlreiche andere auch aufstehen, weil sie natürlich nix verpassen wollen. Wieder andere sehen nix mehr, stehen auch auf usw. Kettenreaktion. Selbiges war das wohl auch gestern. Natürlich muss das bzw. sieht das bedrohlich aus, wenn Menschenmassen aufs Feld stürmen. Klar verunsichert das Spieler bzw. ängstigt sie. Die Jungs sind irgendwas zwischen 20 und 35 Jahre. Wenn plötzlich Hunderte brüllend auf mich zustürmen, hab ich auch die Hose voll! Und Tom Bartels ist vielleicht auch voll mit Adrenalin – er sitzt ja auch im Stadion und lässt sich von der Stimmung in gewisser Weise anstecken – da ist schon klar, dass ich keine rationale, ruhige Anaylse in der Sekunde von ihm erwarten darf.
Aber ich frage mich dennoch, wo er die Gewaltbereitschaft erkannt haben will. Relativ problemfrei konnten die Spieler den Fans doch klarmachen, dass noch nicht Schluss ist. Und man sah auf den Bildern auch, wie sie mit entschuldigenden Gesten wieder Richtung Bande zurückliefen. Da waren keine Prügelnden am Werk, da entlud sich Freude über den Aufstieg, die Fans wollten zu ihren Helden. Das war kein Lynchmob. Das hätte Tom Bartels erkennen müssen, wie ein Handspiel im Strafraum. Chaos sicherlich, aber die heraufbeschworene Gewaltbereitschaft und die zahlreichen Appelle wie Dumm das war – als wäre die Spielunterbrechung bei allen so gewollt gewesen ist nun mal überinterpretiert, behaupte ich.
Das Reinhold Beckmann nach dem Spiel natürlich voll auf den Zug aufsprang war für ihn nur logisch. Das meine ich nicht einmal böse, aber wer ihn aus seiner Sendung kennt, kann erahnen wie er als extrem Feinfühliger bei dieser Emotionsexplosion reagiert. Und auch hier, kann ich mir vorstellen, dass das auch für ihn und Mehmet Scholl recht beängstigend ausgesehen haben mag… in der Loge… meterweit über dem Rasen. Nagut…
Ich hätte mir von Tom Bartels gewünscht, dass er irgendwann zur Ruhe kommt und etwas reflektierter berichtet. Aber das sagt sich aus dem Fernsehsessel heraus genauso leicht, wie man dann die 1 Mio Euro Frage bei Günther Jauch errät und sagt: „Da würd isch einfach ma‘ Risiko gehn!“ Ich weiß noch nicht, was heute in den Online-Medien alles stehen wird. Ich hoffe, nach einer Nacht schlafen, haben sich die Sportjournalistenherzen etwas abgekühlt. Die Bilder, die allerdings gestern Abend gewählt wurden, Berliner Spieler im Kontrast zu den rot glimmenden Bengalos auf dem Rasen, lassen mich nichts Gutes erwarten.
Ich mache mal noch einen kleinen, weiteren Ausflug: Vielleicht liegt die zunehmende bzw. zunehmend thematisierte/behauptete Gewalt in Stadien aber auch daran, dass von Fußballern immer wieder Tugenden wie Kampf und totale Aufopferung gefordert werden, die vielleicht bei den Forderern ein gewisses „sieh, so geht das“-Stimmung erzeugen. Ich bin kein Psychologe, aber ich vermute einfach mal, dass bei Spielen, bei denen es mehr um Technik und Filigranität geht, weniger Gewaltpotential im Publikum herrscht. Die Forderung nach Kampf und Männlichkeit, „läd“ vermutlich auch die Fans dementsprechend auf.
Mal abgesehen von den ganzen gesellschaftlichen Problemen, die in Stadien mit riesigen Menschenmassen kulminieren. Die Dynamik die allein ein Masse von 50.000 auslösen kann, ist ebenfalls gewaltig, denke ich. Wenn ich mich hier mal als Beispiel heranziehen darf, merke ich allein schon, wenn bei Mama und Papa Ärger in der Luft war, was dann wiederum auch meinen Gemütszustand in „aufgewühlt“ versetzt. Wenn ich das jetzt mal auf eine Stadiongröße hochrechne, kann da natürlich einiges explodieren. Da sind auf der einen Seite wohl die gewaltbereiten und auf der anderen eine Mischung aus Mitmachern, Angetrunkenen und dann noch denen, die aus Panik reagieren und mit unkontrollierten Aktionen den Mob noch zusätzlich anstacheln können.
Übrigens bezweifle ich, dass Sportjournalisten die Richtigen sind, um sich um so ein Thema angemessen zu „kümmern“. Schon beim Selbstmord von Robert Enke hatte ich das Gefühl, dass ihre Kompetenz weit überschritten war, was sie aber dennoch nicht abhielt Sondersendungen usw. auf dem DSF zu platzieren und sich dort ähnlich unqualifiziert (im Sinne von ohne Kenntnisse im Fachgebiet) zu äußern.. wie ich mit diesem Beitrag… ups. Na jedenfalls sollen da mal Panikforscher und seriöse Journalisten ran. Die Sportreporter sollten sich darauf konzentrieren. Nur weil Manuel Neuer ganz gut kicken kann, läuft er ja auch nicht mit Ball übers Feld um ein Tor zu erzielen.