Das ist so ein bisschen, wie ganz schnell in etwas Leckeres beißen, wenn man gerade seine Zähne gerade vorher in etwas Ekliges versenkt hat. Man will den useligen Geschmack verdrängen. Gestern war nämlich schon wieder Kino angesagt. Nach John Carter in der vergangenen Woche, wurde diesmal Haywire gespielt. Zweimal Kino in einer Woche, das ist total… haywire! Haywire heißt nämlich, wie ich schon immer wusste [hust] unter anderem „durchgedreht“… aber auch „kaputt“ oder „baufällig“.
Nun aber zum Film (der Trailer). Die Hauptrolle hat die ehemalige Mixed-Martial-Arts-Kämpferin Gina Carano, neben ihr spielen noch Michael Douglas, Ewan McGregor, Michael Fassbender und Saddam Hussein verkleidet als Antonio Banderas… ähm umgekehrt (ja, ich finde, er sieht in dem Film aus wie der Erdloch-Saddam). Regie führte Steven Soderbergh, der zuletzt den etwas mittelmäßigen Outbreak 2… nee, Moment, der hieß „Contagion“… gedreht hatte. Vorher hat er einige Fans mit seiner Oceans-Reihe hinzugewonnen. Und wer die Musik aus Ocean’s 11-13 mochte, der sollte in jedem Fall in den Film gehen, oder vielleicht besser nur den Soundtrack kaufen?

Die Geschichte entspricht einer ziemlich typischen Agentenstory, wo der Eine den Anderen hinters Licht führt, am Ende ist dann doch alles ganz anders usw. Das kann ja mal ganz interessant und spannend sein, das wäre es hier vermutlich auch, aber unglücklicher Weise es ist in Haywire doch seeeeehr langweilig, zumindest träge erzählt. Dazu kommt eine sehr reduzierte, authentisch wirkend wollende Kameraführung mit wenig Farben und ungewöhnlichen Perspektiven. Das kann man auch machen, aber irgendwie…
Die Kampfszenen, pardon: die wenigen Kampfszenen sind ziemlich schön auszuschauen, wie ich finde. Die Kamera hält einfach drauf, es gibt keine schnellen Schnitte und die Kampfgeräusche klingen dazu sehr realistisch. Im Gegensatz zu den meisten aktuellen Actionfilmen weiß man hier, wer gerade wen schlägt und wer gerade den Plasmafernseher von Innen begutachten kann. Es gibt auch eine recht schöne Verfolgungsjagd in Dublin, die wirklich schön anszusehen ist und ansatzweise spannend ist. Auch hier erreicht der Film aber nie die Geschwindigkeit klassischer Actionstreifen.
Und Geschwindigkeit ist das große Problem. Der Film kommt nämlich überhaupt nicht in Fahrt. Zwar geht es direkt am Anfang kurz zur Sache aber dann verstrickt sich der Film in Dialogen, deren Zusammenhänge sich erst später aufklären und man sitzt viel zu lange Zeit mit Fragezeichen auf der Stirn im Kino. Als das in ein Ausrufezeichen verwandelt wurde, war es eigentlich schon zu spät und meine anfänglich Neugier war in bloßes Warten umgeschwenkt. Die Figuren waren mir alle herzlich wurscht, die gefühlvollen Szenen waren irgendwie auch nur noch lahm. Den ganzen Film über litt man eigentlich nicht wirklich mit den Protagonisten mit. Die Kameraführung wie auch die Musik nervten bald nur noch.
Ich wollte diesen Film wirklich gut finden, gerade weil er so realistisch wirken will mit seinen Soundeffekten und anders aussehen will, wegen der Kamera, wollte ich diesen Film in mein Herz schließen. Aber nun will ich ihn in keinem Fall noch ein zweites Mal sehen. Die Schauspieler sind soweit gut – sofern man das überhaupt in der recht schlampig oder zumindest uninspiriert synchronisierten deutschen Version erkennen kann. Gina Carano sollte dringend die in allen Belangen überschätzte Angelina Jolie als Actionheldin Hollywoods ablösen, ich schaue ihr gerne zu – aber nicht in diesem Film.
Ich gebe ihm so etwa 50 Punkte. 10 davon gehen an Gina, der Rest für die Szenen in Dublin und ein bisschen noch für die Kampfszenen. Die Kritiker hingegen finden den Film überwiegend gut. Beim WDR sagte ein Journalist, der Film wäre DER Action-Film zurzeit, den müsste man sehen. Und das sagte er, obwohl er vorher noch über John Carter sprach. Die verdorbenen Tomaten vergeben knackige 80%, die Publikumswertung macht eine halbe Tomate draus, da sind es nur noch 42%.